VR Avatare
Alles rund im Avatare in virtuellen Welten

Autor:
Hieu Nguyen, Technical Artist bei NMY

Avatare für Virtual Reality - Stile und Typen

Seit Beginn der Videospielindustrie träumen viele Menschen davon, einmal selbst komplett in eine virtuelle Welt einzutauchen. Was als cooles “Wow” - Feature in achtziger Jahre Filmen anfing, entwickelte sich zu einer tiefen Sehnsucht beim Verbraucher. Mehr als nur vor einem Bildschirm zu sitzen und es als Zuschauer zu bestaunen, sondern mitten drin in diesen Welten stehen und alles direkt in der ersten Person, hautnah erleben. Beflügelt von diesen Visionen, preschen digitale Konzerne weltweit in dieses Feld der digitalen Welten vor, treiben die Entwicklung voran und lassen uns in virtuelle Welten eintauchen, wie wir es uns bislang nur vorstellen konnten.

Meta und die Metaversen

Ende Oktober 2021 hat Meta, ehemals Facebook, im Rahmen seiner Umbenennung auch die Erweiterung des Kerngeschäfts ins sogenannte “Metaverse”, der Schnittstelle zwischen der realen und virtuellen Welt, angekündigt. Diese Erweiterung ist zwar an sich keine neue Idee, sorgt aber angesichts der Größe des Meta-Konzerns für reichlich Wirbel im Internet. Eine Entdecker - und Goldgräberstimmung entfaltet sich rund um das Metaverse. Die Idee eines Metaversums existiert seit Anfang der 90er Jahre. Zuerst verwendete der Autor Neal Stephenson den Begriff in seinem Roman “Snow Crash” - und lieferte direkt eine Definition: “Das Metaverse ist eine riesige, immersive virtuelle Welt, auf die Millionen von Nutzern gleichzeitig über VR und andere Geräte, hochgradig anpassbare Avatare und leistungsstarke Tools zur Schaffung von Erfahrungen zugreifen können. Es ist in die reale Wirtschaft integriert und mit externen Technologien kompatibel.” Ein aktuelleres Beispiel ist die Geschichte “Ready Player One” in der sich Menschen in der Social-VR-Welt Oasis treffen, untereinander austauschen und miteinander interagieren können.

“Second Life” und “IMVU” existieren bereits vor den Metaverse-Hype

Erste ambitionierte Schritte in diese Richtung gibt es etwa seit der Jahrtausendwende. Bekannte Plattformen wie “Second Life” und “IMVU” waren gewissermaßen die Vorreiter dessen, was wir jetzt im ganz großen Stil erleben sollen. Diese Plattformen können auch als Metaversen bezeichnet werden, denn der Begriff wurde, wie oben beschrieben, nicht von Meta erfunden.

Meta möchte jedoch einen Schritt weiter gehen und quasi das ganze Leben ins Metaverse holen: Meetings, Events, Handel oder einfach nur gemeinsam herumhängen - all dies soll im Metaverse möglich sein.

VR Avatar_Hprizon Worlds
In Metas “Horizon Worlds” begegnen sich Menschen als Avatare - erst in VR, später auch per Smartphone. Andere Metaversens wie “The Sandbox” und “Decentraland” bieten auch eigene Avatare an.

Zu einem gewissen Grad ist ist Metas Zukunftsvision schon Realität. Es existieren bereits verschiedene Metaversen, in denen Nutzer etwa virtuelle Grundstücke erwerben und gestalten, Kunstbilder ausstellen oder Konzerte geben. Privatpersonen und Firmen sind daran interessiert, sich in diesen Metaversen zu präsentieren, etwa um Fans oder Kunden zu gewinnen. Meta selbst hat Ende 2021 das eigene Metaverse-Projekt “Horizon Worlds” in den USA und Kanada gestartet.

VR-Avatare überall

Die Anzahl der Metaversen ist noch überschaubar und entsprechend groß und größer werdend ist der Andrang in der schnell wachsenden Community. Gerade durch die sehr aggressive Preispolitik Metas bezüglich ihrer VR-Brillen und der Ankündigung zum Thema Metaverses ist das Interesse groß. Die Notwendigkeit einer Individualisierbarkeit seines persönlichen Avatars ist also gegeben - und hier gehen die verschiedenen Anbieter mit ganz unterschiedlichen Ansätzen heran. Während einige eher eine realistische Herangehensweise verfolgen, geben andere ihren Avataren einen eher verspielten Look. Wieder andere möchten klar zwischen realen Personen und virtuellen Charakteren unterscheiden und greifen auf humanoide Grundgestalten, wie z.B. Roboter oder generische Sci-Fi Figuren zurück. Anbieter mischen diese Elemente auch und verfremden Ansätze komplett. Die Möglichkeiten der Avatar-Darstellung sind entsprechend vielfältig und schlussendlich eine Stilentscheidung.

Realistisch vs. cartoon vs. stilisiert

Wir können Avatare auf drei grundlegende Stile herunterbrechen.

VR Avatar_Realistisch
spatial.io nutzt einen realistischeren Ansatz, ein Foto vom User wird auf einen Avatar projiziert und zum interagieren genutzt.

Ein realistischer Avatar bietet viele Individualisierungsoptionen, damit man dem eigenen Aussehen möglichst nahekommt. Gerade in einem professionellen Umfeld, in dem eine gewisse Glaubwürdigkeit des Users eine Rolle spielt, ist ein Avatar mit realistischen Merkmalen häufig die erste Wahl. Allerdings bringt der realistische Look auch Probleme mit sich: das sogenannte “Uncanny Valley” beschreibt einen Effekt, bei dem ein künstlicher Avatar möglichst so echt wirken möchte, diesen Punkt aber nur fast erreicht - dadurch wirkt er wiederum unglaubwürdiger oder sogar unheimlich.

Hardware-Limits spielen hier eine Rolle und begrenzte Möglichkeiten, mit wenig Aufwand einen realistischen Avatar zu gestalten. So ist eine gängige Methode, vom User ein Webcam-Foto anzufertigen und dieses auf einen generischen Avatar zu projizieren. Es erfüllt zwar seinen Zweck, der Avatar ist als Person wiedererkennbar, aber die sehr einfache Aufbereitung bricht schnell mit dem erhofften Realismus. Hinzu kommt, dass wegen fehlender Tracking-Elemente an Beinen und Gesicht die Avatare nur schweben und die Mimik relativ starr wirkt.

VR Avatar_Cartoon
ReadyPlayerMe nutzt einen cartoonigen Ansatz, verwendet als Basis aber ein Nutzer-Foto.

Ein Cartoon-Avatar hat das Uncanny-Valley-Problem nicht, da er gar nicht erst versucht, die Realität zu kopieren. Dennoch bietet er viele Optionen für eine individuelle Gestaltung. Etwa können charakteristische Merkmale eines Nutzers anhand eines Fotos auf den Cartoon-Avatar übertragen werden -wie es beispielsweise die App ReadyPlayerMe bereits umsetzt. Oder man designed sich selbst über einen Character Creator einen Avatar, wie es beispielsweise “The Sims” macht. Schlussendlich kommt ein Avatar heraus, der vom Stil konsistent den anderen Avataren ähnelt und nicht von externen Faktoren wie der Beleuchtung und der Qualität der Webcam eines Users abhängig ist. Der Comic-Stil begeistert verständlicherweise nicht alle gleichermaßen - ein verspielter Look in einem professionellem Umfeld, gerade wenn ein realistisches Produkt vorgestellt oder präsentiert wird, kann Menschen abschrecken oder Vortragende weniger glaubwürdig wirken lassen. Wie realistische Avatare haben auch Comic-Avatare außerdem keine Beine und nur begrenzte Minik.

VR Avatare_Stilisiert
Sci-Fi Figuren und abstrahierte Humanoiden sind klar virtuell, Nvidias Holodeck nutzt eher unpersönliche schwebende Roboter zur Nutzer-Interaktion im Business-Umfeld des “Omniverse”.

Stilisierte Avatare sind die Avatare, die nicht eindeutig in die beiden vorigen Kategorien passen. Sie besitzen noch immer humanoide Züge, über die sie einen Bezug zum User herstellen - also beispielsweise Roboter, Sci-Fi-Figuren, Hologramme und Low-Poly Avatare, die weniger individuell, dafür in sich konsistenter wirken.

Durch die relativ generischen Avatare wirken virtuelle Treffen allerdings unpersönlicher - gerade in der sozialen Interaktion zwischen Personen ist der Stil eher abschreckend, da ein Bezugspunkt fehlt wie das (virtuelle) Gesicht einer anderen Person. Über Accessoires, Kleidungsstücke oder Farben ist zwar eine gewisse Individualisierung möglich. Die kommt aber letztlich nicht an die unverwechselbaren Gesichter von realistischen Avataren oder Comic-Avataren heran.

Natürlich gibt es noch Einschränkungen für virtuelle Welten. Hier stechen folgende Punkte besonders heraus:

  1. Aufgrund der hochpreisigen Technik, die für eine High-End-Erfahrung notwendig ist, setzen viele auf günstigere, autarke VR-Systeme, bei denen die Zusatzkosten für einen PC entfallen. Die bieten weniger Rechenleistung für aufwendige Avatare, dafür gibt es mehr User. Bedeutet: Wer heute Avatare für ein Metaverse entwirft, muss auch die Hardware der Nutzer bedenken und für den kleinsten gemeinsamen Nenner optimieren oder die Avatare skalierbar machen.

  2. VR Tracking ist derzeit hauptsächlich auf Kopf- und Armbewegungen beschränkt. Beinbewegungen spielen noch keine Rolle. Zusätzliche Tracker wären zwar möglich, würden aber preislich keinen nennenswerten Mehrwert für den Anwender bieten. Auch die Mimik ist derzeit (zumindest massentauglich) noch nicht virtualisierbar weshalb viele Avatare entweder puppenartig oder emotionslos wirken.

  3. Da VR Systeme meist Zuhause eingesetzt werden, ist der Bewegungsradius begrenzt. Bewegungen, die große Räume oder Distanzen erfordern, sind somit physikalisch nicht möglich. Hier müssen die Anbieter auf andere Lösungen der Fortbewegung zurückgreifen, wie etwa Teleportation, also der Bewegung im virtuellen Raum, während man in der Realität an Ort und Stelle verweilt. Diese Fortbewegungsmethoden erhöhen allerdings das Risiko von VR-Übelkeit.

Avatare im Metaverse: Was die Zukunft bringen könnte

Auf der XR-Entwicklerkonferenz Connect 2021 hat Meta Informationen zu “Project Cambria” veröffentlicht, eine VR-Brille der nächsten Generation. Das Gerät wird voraussichtlich etwas teurer und richtet sich eher an VR-Enthusiasten und -Entwickler. Cambria soll Profis einen Vorgeschmack auf zukünftige Möglichkeiten geben und die Möglichkeit für erste Experimente. Unter den neuen Funktionen sind auch solche, die für die realistische Darstellung von Avataren wichtig sind. Nach innen gerichtete Kameras für das Gesicht und die Augen etwa können Augenbewegungen und Mimik in Echtzeit auf den Avatar übertragen. Das trägt zur Glaubwürdigkeit der Avatare und auch generell zur Art der virtuellen Kommunikation enorm bei. Das Handtracking von Meta Quest 2 wird Cambria weiter verbessern und so die Kommunikation mittels Gesten stärken.

Der spannendste Aspekt an Cambria ist, dass die vielen technischen Neuerungen und Verbesserungen womöglich in Meta Quest 3 einfließen könnten, also in die nächste Mainstream-Brille. Durch die bessere Technik und fortschrittlichere Avatare würde das Metaverse interessanter für mehr Menschen. Soziale Interaktion im virtuellen Raum wäre authentischer denn je.

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